Angefangen hatte es vor zwei Tagen, ja! erst vor zwei Tagen. Sie war im ICE, völlig entnervt und auf dem Heimweg von einem langweiligen Auftrag bei einem ätzenden Kunden, der zudem auch noch der vorläufig letzte war (nein, nicht Kunde, sondern Auftrag). Und ihr wurde klar, dass sie nicht nur fünf wertvolle Monate ihres Lebens in einem idiotischen Laden im Keller vor stumpfsinnigen Rechnern verbracht hatte, sondern dass sie darüber auch völlig vernachlässigt hatte, sich um einen Anschlußauftrag zu kümmern. Und da sie nun einmal Einzelkämpferin war – hieß das erst einmal, nichts zu tun zu haben, mit dem sie ihre täglichen Brötchen
verdienen konnte, und Klinken putzen bzw. sich am Telefon das Gefasel von irgendwelchen Idioten anzuhören, nur weil sie hoffte, eventuell mit einem Auftrag zum Zuge zu kommen.
Als sie aus dem Speisewagen zurückkam, wo man ihr mitgeteilt hatte, dass leider irgendwas ausgefallen sei und es nur kalte Speisen gebe (!) und selbst der Kaffee, den sie noch bekommen hatte, lauwarm war, bemerkte sie erst gar nicht, dass sich in ihrem Abteil noch eine Mitreisende breitgemacht hatte. Auf ihrem Platz lag ein aufgeschlagener Aktenordner, und auf dem Platz daneben Füße, die in schwarzen Nylons steckten (die – hmmm – gar nicht so übel aussahen), die dazugehörigen roten Pumps auf dem Boden querbeet.
Sie mußte lachen, und dann sah sie der Frau ins Gesicht – und erkannte – und wurde erkannt – von ihrer alten Kommilitonin Petra. Gleich war ihr Ärger verflogen, es gab jede Menge Erinnerungen auszutauschen – sie hatten sich ja nach dem Ende des Studiums nur noch einmal getroffen, und dann fast zehn Jahre lang nicht gesehen, weil sie beide im Beruf abgetaucht waren. Eine kurze Liaison aus WG-Zeiten – es war irgendwie chic, ein bißchen bi zu sein – hatten sie bereits bei ihrem letzten Treffen begraben, und beschlossen, einfach Freundinnen zu bleiben. Was sich aber gar nicht als so leicht herausstellte, einfach mangels Zeit, und wegen der dann irgendwann auch verlegten Adresse und Telefonnummer, gerade, als sie beschlossen hatte, nun doch wieder einmal anzurufen.
„Da muss man sich im Zug treffen!!!“ Petra war begeistert. Nebenbei stellte sich heraus, dass sie beide in derselben Branche gelandet waren – Petra als Einkaufschefin einer gar nicht mal so kleinen Mittelstandfirma, und sie selbst eben als Freiberuflerin.
Dann waren sie auf das Thema Männer gekommen – und damit war der Rest der gemeinsamen Fahrt gerettet. In Würzburg mußten sie beide umsteigen, und so trennten sich ihre Wege wieder, es gab noch eine Umarmung, und sie kam noch auf die Idee, sie sollten wenigstens die Karten tauschen – was sie auch taten.
Wie hatte sie sich gewundert, als sie von Petra am nächsten Mittag eine EMail auf dem Rechner vorfand mit Betreff „Psssst! Unser Treffen – und die Folgen“. Fast hätte sie die gleich im Reflex in den Spamkorb getreten… Petra? Also doch aufmachen. Überrascht las sie: „Hallo, meine Liebe! Ich habe auf dem Heimweg gestern beschlossen, auch mal ein wenig über die Strenge zu schlagen – schließlich bin ich hier die Loyalität in Person! – und Dir einfach mal einen Job zuzuschustern. Ich hatte Dich doch richtig verstanden, dass Du aktuell ohne Auftrag bist? Wir haben ein Projekt, das Dir gefallen wird. Ich habe heute morgen mit meinem Chef gesprochen. Ich hätte zufällig im Zug jemanden kennen gelernt, der genau unser Mann – bzw. unsere Frau – ist. Das ganze ist allerdings brandeilig – wie immer, Du kennst das ja. Und ich habe versprochen, Dich zu überreden, morgen nachmittag hier zu einer Besprechung mit meinem Chef zu erscheinen. Keine Angst, es ist bereits alles klargemacht, die Unterredungen, wo es um hop oder top geht, macht er immer selber, das läßt er sich nicht nehmen – von der Technik, um die es geht, hat er eh keine Ahnung. Kleiner Tip : zieh das kleine Schwarze an und mach ein wenig auf spröde – das wird ihm gefallen. Und bitte – WICHTIG – antworte mir, so es nicht rein geschäftsmäßig ist * kicher * nur an diese Adresse und nicht auf meine Firmenadresse, ich hab für den Zweck extra diese Zweitmail… Grüße und bis morgen um 15:00, Petra.“
Oooops. Wenn sie nicht gesessen hätte, dann hätte sie sich jetzt erst mal hinsetzen müssen. So sprang sie auf, tanzte durch ihr Appartement, und begann dann, sie die passenden Sachen herauszusuchen und sich vor dem großen Spiegel schon mal probeweise aufzuhübschen. Jetzt fiel ihr auch wieder ein, dass Petra gestern schwarze Nylons und rote Pumps getragen hatte… sicher auch eine gute Idee. Na dann! Sie leerte noch ein Glas Rotwein, und ging früh zu Bett. Sie hatte beschlossen, mit dem Wagen zu fahren. Nachts träumte sie wirres Zeug, von Petra, von Strümpfen und Schuhen, von Petras Chef, der im Traum ein wahrer Arnold Schwarzenegger war, und der sie am Ende im Putzmittelraum verführte. Oder sie ihn? So genau war das nicht mehr zu sagen, der Traum endete, indem er plötzlich Handschellen in den Händen hatte und versuchte, ihre Arme spielerisch nach hinten zu drücken, während sie über einen Putzeimer stolperte, sich verfing, und ein irres Geklimpere einsetzte, das sich nach und nach als das Klingeln ihres Weckers entpuppte.
Puuuuh, das war ja! Sie stellte den Wecker ab und wiegte sich noch etwas in der durchaus wohligen Vorstellung, von einem gutgebauten Kerl mit Handschellen gefesselt zu werden – und verschiedenen Überlegungen, was er dann mit ihr oder sie mit ihm anstellen könnte. Als sie wieder aufwachte und auf den Wecker schaute, war es fast zwei Stunden später. Gut, dass sie mit dem eigenen Wagen fahren wollte und die Klamotten schon zusammengesucht hatte… das Frühstück mußte dann mal entfallen. Eine Viertelstunde später saß sie im Wagen, sie hatte sich einen schicken schnuckeligen Sportwagen zugelegt, als es ihr vor einiger Zeit mal finanziell kurzfristig sehr gut ging, und war auf dem Weg auf die Autobahn. Sie genoß das Fahren sehr (wenn sie am Steuer saß!) und hatte ihren ersten Orgasmus bereits auf dem Zubringer – nun ja, es war relativ frei, und sie konnte sich austoben.
Nun saß sie also in diesem langeweiligen Besprechungsraum, und wartete auf ihren Gesprächspartner, einen wahrscheinlich ebenso langeweiligen Menschen. Petra hatte sie in Empfang genommen, kurz umärmelt und ihr dabei eine Summe ins Ohr geflüstert – wenn man das Budget kennt, um das es geht, verhandelt es sich einfach besser! und hatte sie dann mit einigem Bedauern informiert, dass sie selber heute einfach nur im Streß sei. Anschließend hatte sie sie in den Besprechungsraum geführt, ihr einen Kaffee eingeschenkt, und war mit einem aufmunternden Lächeln aus der Tür gesegelt.
Nachdem sie ein paar der – durchaus leckeren – Kekse geknabbert hatte, einen Kaffee getrunken hatte, und die Bilder, die an der Wand hingen, noch einmal ausgiebig inspiziert hatte, kam eine Sekretärin herein und teilte ihr mit „Herr Direktor Lehmann ist aufgehalten worden… und bittet Sie, sich noch ein wenig zu gedulden“. Eh sie etwas sagen konnte, war die Dame auch schon wieder hinaus. Was sollte sie auch sagen? Sie mußte warten. Einfach warten..
Schon ziemlich entnervt ging sie zu der Fensterfront hinüber und warf einen Blick über das offenbar aufgelassene Industriegelände, in dem ihre Gastgeber sich eingerichtet hatten. Direkt gegenüber eine Halle aus grauem, schmucklosen Beton, aus dem halbrund – oder vielmehr achteckig – eine Art von Turm hervorragte, der sich oben zu einer Art Kugel erweiterte. „Vielleicht ein alter Wasserturm?“ dachte sie bei sich, dann aber fiel ihr Blick durch eines der Fenster in dem Turm, und sie sah eine Gestalt schattenhaft vorbeihuschen. Sicher auf einer Treppe, die nach oben führte? Nun schaute sie genauer hin, und als die Gestalt am nächsten Fenster vorbeiging, rieb sie sich vor Erstaunen die Augen.
War sie schon wieder in einem dieser bizarren Träume gelandet, die sie in letzter Zeit dauern hatte? Die Frau hatte definitiv außer schwarzen, langen Stiefeln und einer weißen Reithose nichts getragen – einfach nichts! Ihre Haare waren rostrot und fielen in Locken auf ihrer Schulter herab, und … Ihre Brust wurde von einer Art Geschirr mehr betont als verdeckt, und… in der Hand… oder vielmehr an der Hand… nein, an den Handgelenken trug sie Eisenringe, die mit einer Kette verbunden waren, die hinter ihrem Rücken herumführte, so dass sie die Hände leicht nach hinten gebeugt eng an der Körperseite hielt. Noch an zwei Fenstern kam die Schöne vorbei, sie konnte es kaum glauben, starrte ihr noch hinterher, als sie zwei Typen in Motorradkluft von unten die Treppe hinaufeilen sah. Sie schwangen Ketten in den Händen und hatten es offenbar eilig, die Schöne einzuholen. Sie mußte Träumen!
Sie starrte immer noch hinüber, wo jetzt der Turm in absoluter Ruhe lag und nichts, aber auch gar nichts zu sehen war. Sie fragte sich gerade, ob sie nun wirklich Tagträume hatte und vielleicht mal einen Therapeuten aufsuchen sollte – das ging ja so nicht! und die Realität konnte das auch nicht gewesen sein, zu bizarr war das Ereignis dafür. Aber sie war innerlich wahnsinnig erregt, und gerade wanderte ihre Hand unter den Top Richtung Brust, als sie plötzlich von hinten eine Stimme vernahm. „Guten Tag, Frau Wallingstedt, ich entschuldige mich für die Verspätung. Aber sie sollen nicht umsonst gewartet haben – ich denke, wir kommen gleich in Medias Res!“
Sie fuhr herum und stotterte eine Begrüßung, schaffte es dann aber, sich geordnet zu setzen und eine geschäftsmäßige Miene aufzusetzen. Ihr Gesprächspartner, ein durchaus attraktiver Mittdreißiger in schwarzen Jeans und Rollkragenpullover, musterte sie ein wenig spöttisch. „Hatten sie sich einen Direktor anders vorgestellt? Meine Vorzimmerdame, Frau Linkenhorst, habe ich von meinen Vorgänger übernommen, sie liebt diese altertümliche Ausdrucksweise, ist aber auf ihre Art auch einfach unentbehrlich. Nennen Sie mich doch bitte Horst…“
Obwohl es nun in lockerem Ton weiterging, war er doch fordernd und kein einfacher Verhandlungspartner. Er stellte ihr das Projekt vor, erläuterte die Vorgeschichte und warum nun ein „Feuerwehrteam“ gebildet werden sollte, um zu retten, was zu retten sei. Dann kamen sie zu Vertragsfragen, und als sie das nächste mal auf die Uhr sah, waren zwei anstrengende Stunden vergangen. „Gut, ich denke, wir sind uns einig. Wenn es ihnen Recht ist, lasse ich die Verträge fertigstellen und wir schicken sie ihnen morgen oder übermorgen zu… Es wird mir eine Freude sein, Sie im Team zu wissen“. Nun war noch etwas Smalltalk angesagt, und sie fragte, in der Hoffnung möglichst beiläufig zu klingen, nach der Nutzung des Geländes.
„Außer uns haust hier niemand – das ist uns sehr recht, denn wir expandieren, und haben so genug Platz, falls es hier eng wird. Auf die Hallen dort drüben mit diesem eigenartigen Turm haben wir eine Option…. wenn es soweit ist, werden wir den Wasserkasten da oben abreißen und durch eine Glaskuppel ersetzen. Ich freue mich schon darauf, dort dann mein Büro zu haben.“. Er grinste sie an, irgendwie… eigenartig. Sie frage noch einmal nach. „Also ist das alles ungenutzt?“. Er entgegnete prompt „Ja, da war sicher seit Jahren niemand mehr. Ich bin gespannt, wie es aussieht, wenn wir es renovieren werden“. Dann schaute er auf seine Uhr und sagte fast bedauernd „Ich hätte sie eigentlich noch zum Essen einladen wollen, oder auf einen guten Schluck zur Feier des Abschlusses, aber ich habe leider noch einen unerwarteten Termin heute abend. Und sie werden sich auf den Heimweg machen wollen. Ich danke Ihnen jedenfalls, dass sie so spontan kommen konnten“:
Damit war sie auch schon auf dem Weg zum Kleiderständer, ließ sich vom ihm in den Mantel helfen (was sie eigentlich haßte, aber er war irgendwie der Typ danach und ihr nicht unsympathisch). Auf dem Weg hinaus schaute sie noch im Sekretariat vorbei und fragte nach Petras Büro, erfuhr aber, dass sie einen Auswärtstermin wahrnahm und heute nicht mehr erwartet wurde. Also ging sie, noch ganz benommen von der eigenartigen Erfahrung eines Tagtraums, aber auch der angenehmen Überraschung eines Auftrags, von dem sie gut zwei Jahre würde leben können, auf den Hof zu ihrem Wagen hinunter. Da dort alles vollgeparkt gewesen war, hatte sie eine Ecke weiter geparkt, und ging an genau jener grauen Betonfront hinauf, in der der Wasserturm eingelassen war.
Und da… im Vorübergehen… sah sie, dass unten in dem Turm eine Stahltüre hineinführte. „Sicher abgeschlossen“ durchzuckte es sie, aber da war ihr auch schon klar, dass sie mindestens auf die Klinke fassen mußte. Die dann – sie hatte es irgendwie gewußt, nachgab. Mit einem lauten Knarren, das fast wie Widerspruch gegen das Öffnen nach jahrelangem Stillstand klang, öffnete sich die Tür, und sie stand in einer achteckigen Halle. Schnell schloß sie die Tür hinter sich – sie hatte das unklare Gefühl, etwas verbotenes zu tun. An der gegenüberliegenden Seite war eine ebensolche Tür wie die, durch die sie hineingekommen war.
Und außen, an der Wand entlang, ringelte sich eine Treppe hinauf, Betonstufen, ein Geländer aus grün gestrichenem Metall, alles mit einem Hauch von Grau und ein wenig abgenutzt. Es roch so, wie es in muffigen, alten Gebäude eben riecht, aber der Boden und die Treppenstufen waren so sauber, als wenn sie gerade gestern erst geputzt worden wären. Sie schaute nach oben, die Treppe schlängelte sich drei, viermal um den Turm, an den Fenstern vorbei, durch die sie die Schöne hatte hinauflaufen sehen – und die beiden Ledertypen! aber irgendwie hatte sie gar keine Angst, die könnten noch hier sein. Sie hatte nur das starke Gefühl, die Schöne müsse noch irgendwo dort oben sein. Der hohe Raum war oben durch eine Betondecke abgedeckt, in deren Mitte eine Luke hinaufführte, die mit einem Stahlboden verschlossen war. Außen, wo die Treppe durch einen Ausschnitt in der Betondecke hinaufführte, drang ein diffuses Licht hinunter.
Ohne sich weiter zu besinnen begann sie, die Treppe hinaufzusteigen. Als sie zum Fenster hinaussah, sah sie gerade in den Besprechungsraum hinüber, und glaubte einen Moment, Direktor Lehmann dort hinter dem Vorhang stehen zu sehen. Aber als sie genauer hinsah, war nichts mehr zu erkennen.
Langsam und langsamer schlich sie sich, eng an der Wand gehend, hinauf. Sie glaubte, ein leises Stöhnen von oben zu hören. Wie in Trance ging sie weiter und weiter. Als sie oben den Kopf über den Rand des Betonbodens streckte, erschrak sich nicht weiter. Irgend etwas Bizarres hatte sie ja erwartet… wie sollte es auch anders sein! Der Raum war tatsächlich fast eine Kugel und außen mit Metall ausgeschlagen. In der Mitte war ein kreisrundes Podest aus Beton, und darauf stand die geheimnisvolle Fremde.
Jemand mußte ihre Ketten gelöst haben und hatte sie oben, über ihrem Kopf, in einer theatralisch anmutenden Art mit einem großen Metallschekel an einem Kranhaken befestigt, der an einem Flaschenzug aus schweren Ketten von der Decke herabhing. Ihre Füße trugen nun ebenfalls metallene Fesseln, die mit Ketten an Ringen im Boden befestigt waren. Sie stand mit gespreizten Beinen – anders konnte sie ja mit den kurzen Ketten auch gar nicht stehen! und leicht gereckt, sie hatte gerade soviel Spiel, dass ihre Füße – ihre Stiefelsohlen – knapp den Boden berührten.
Jemand hatte ihr einen Knebel in den Mund gesteckt und mit einem gefalteten, schwarzen Tuch hinter dem Kopf fixiert, über die Augen trug sie eine schwarze Maske ohne Öffnungen. Sie hatte den Kopf zur Seite gelegt und schien inwendig zu lauschen. Sicher mußte sie sie kommen gehört haben, es war absolute Stille und sie hatte ihre eigenen Schritte, obwohl sie fast geschlichen war, doch durch den ganzen Turm hallten gehört – schließlich trug sie ihre roten Pumps mit den weniger als pfenniggroßen Absätzen, die auch noch Metallkappen trugen.
Nun, sie hätte ja auch etwas sagen können, aber die ganze Situation hielt sie in Bann. Keines ruhigen Gedankens fähig umrundete sie mehrmals die Schöne. Dann trat sie von hinten an sie heran, stellte sich ebenso breitbeinig wie sie hinter ihren Rücken, und schob langsam ihren Körper vor, bis sie ihren nackten Rücken und ihre Hüften spürte.
Die Schöne zuckte kurz zusammen, aber dann gab sie sich hin, reckte sich, rieb ihren Körper an dem ihren. Sie warf ihren Kopf in den Nacken, legte ihn auf ihre Schulter, Wange an Wange. Sie nahm den Kopf mit den wunderbaren roten Haaren in die Hände.
Dann, einem wilden Entschluß folgend, entfernte sie das Tuch, nahm den Knebel aus dem Mund der Schönen, nur um ihn sofort wieder mit einem langen Kuß zu verschließen. Ihre Zungen spielten, ihre Becken rieben sich aneinander. Schließlich, wie sie glaubte nach unendlich langer Zeit, ließ sie von der Gefangenen ab, die laut stöhnte und sich in die Ketten fallen ließ. Sie trat einen Schritt zurück, die Gefangene ließ den Kopf nach hinten fallen, wenn nicht die Maske gewesen wäre, hätten wunderschöne Augen ihre Blicke in die ihren gerichtet, schmachtend, verlangend. Sie sagte laut „Du bist freiwillig hier, und es gefällt Dir!“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Die Gefangene antwortete auch nicht, sondern richtete sich auf und warf mit einer stolzen Geste die Haare mit einer schnellen Drehung des Kopfes über die Schulter, um dann starr geradeaus ins Nichts zu sehen.
Sie sagte nichts weiter, war auch immer noch keines geordneten Gedankens fähig, sondern schritt langsam zur Treppe und wie im Traum die Stufen hinab. Es war allmählich gedunkelt, und das Treppenhaus lag einem nur vom Lichtschein der Fenster durchbrochenen Halbdunkel. Woher war eigentlich das Licht oben in dem Raum gekommen? Aber die Gedanken flossen nur langsam träge durch ihr Gehirn, das wie betäubt war, sie stellte sich Fragen, ohne auf eine Antwort zu warten, die sie eh nicht finden würde. Sie griff auf die Türklinke, die Tür war offen – wieso auch nicht? – und sie ging weiter, in der Dämmerung, an der grauen Betonwand entlang bis zu ihrem Wagen.
Schloß auf, ließ sich in den Sitz fallen, und steckte sich eine Zigarette an. Sie hatte doch aufhören wollen damit! Mist, dann hätte sie nicht die Schachtel und auch noch das Feuerzeug im Auto liegen lassen sollen. Sie schloß die Augen, und eine Art Nebel umfaßte all ihre Gedanken, all ihr Fühlen. Die Bilder zerflossen.
Plötzlich war sie wieder oben auf der Treppen und stieg hinab. Sie fühlte sich… irgendwie… anders. Gestärkt. Dominant? Nein, stolz und herrisch, aber nicht dominant. Als sie auf halber Höhe war, traten durch die innere Tür die beiden Ledermänner und stellten sich mitten in den Raum, schauten zu ihr nach oben. Was sollte sie tun? Aber das war keine Frage, sie wusste sofort, was geschehen würde. Ohne zu zögern setzte sie weiter Fuß nach Fuß auf die Treppe, das Klappern ihrer Absätze hallte durch den Raum. Unten wandt sie sich in Richtung Tür, aber wie in einem gut choreographierten Ballet verstellten die Beiden ihr den Weg, und gleich hatten sie ihre Handgelenke ergriffen, sie stand zwischen ihnen mit auf den Rücken gedrehten Armen, aber aufrecht und ohne Angst. Die Tür ging erneut auf, und Petra trat herein. Sie war ebenfalls in Leder gekleidet, trug in der Hand eine neunschwänzige Katze, ein martialisches Gerät, das aus einem alten Film hätte stammen können.
„Da bist du also… Und so stolz… wir werden mal sehen, wie lange du so stolz dreinschaust! Du bist in die Falle getappt, wir haben erwartet, dass Du es nicht lassen kannst, ein wenig herumzuspionieren, wo Du nicht hingehörst!“ Dann erschien hinter ihr der Direktor Lehmann, – Horst -, in derselben Kleidung wie eben, und die Sekretärin mit dem
strengen Haarknoten und dem herrischen Gesichtsausdruck. Horst schnitt Petra das Wort ab. „Keine lange Rede! bringt sie in den Verhörraum!“.